Doppelsterne - Dr. Christian Pinter - Fototipps

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Doppelsterne und ihr Bewegungsspiel

Die meisten Sterne unserer Milchstraße gehören Doppel- oder Mehrfachsystemen an (Beobachtungstipps). Die Komponenten umkreisen den gemeinsamen Schwerpunkt ihres Systems. Das kann innerhalb von Stunden von statten gehen. Dann jedoch wirbeln die Sterne in so geringer Distanz umeinander, dass wir sie im Teleskop nicht auflösen können. Wir sehen deren gemeinsames Leuchten als einen einzigen Lichtpunkt.

Bei Doppelsternen mit Umlaufszeiten von vielen hundert Jahren ist das oft anders: Sie trennt das Teleskop sehrwohl in zwei oder mehrere Komponenten. Der Anblick kann überaus hübsch sein, weshalb solche Systeme von Amateurastronomen immer wieder gern ins Visier genommen werden.
Lange glaubte man, solche Sterne stünden nur zufällig in fast der gleichen Blickrichtung, wären in Wirklichkeit aber weit voneinander entfernt. Doch Wilhelm Herschel erkannte 1802, dass sich die Stellung einiger Sterne zueinander im Laufe seiner jahrzehntelangen Beobachtungen geändert hatte - und zwar in einer Weise, die einen periodischen Umlauf andeutet. Damit war die Existenz physischer Doppelsterne bewiesen: Sie sind gravitationell aneinander gebunden.

Besonders eng mit Herschel ist der Stern Xi Ursae  Majoris verwoben. Der deutschstämmige, nach England ausgewanderte Astronom sah dessen Begleiter erstmals 1780. 22 Jahre später war er sich dessen Bewegung sicher. 1827 bestimmte der französische Astronom Félix  Savery dann erstmals dessen Orbit: Die Umlaufszeit beträgt 60 Jahre.

Mit astrometrischen Mitteln können wir auf Herschels Spuren wandeln und die Umlaufbewegung von einigen Doppelsternen erfassen. Dazu muss man die exakte Stellung der beiden Sterne zueinander im Abstand von Jahren vermessen. Am besten, man beginnt bei Zeiten damit.
Um Erschütterungen zu vermeiden, sollte man dabei die Spiegelvorauslösung aktivieren - und zwar auch bei sehr kurz belichteten Fotos.
Bei welchen Sternen lohnt es sich besonders?
Grundsätzlich kann man jeden auflösbaren Doppelstern astrometrieren. Besonders spannend ist die Sache aber freilich dort, wo man wirklich Veränderungen mitverfolgen kann.

Wolfgang Vollmann gibt auf seiner Website einige Doppelsterne an, bei denen das Bewegungsspiel in vergleichbar kurzer Zeit auffällt:

  • Eta Cassiopeiae
  • Alpha Canis Maioris (sehr schwierig zu trennen)   
  • Alpha Geminorum
  • Zeta Cancri
  • Xi Ursae Majoris (siehe oben)
  • Gamma Virginis
  • Xi Bootis
  • Eta Coronae Borealis
  • 70 Ophiuchi   
  • 61 Cygni
  • Krüger 60 Cephei
Vollmann beschreibt auf seiner Website sehr anschaulich, wie hier verfahren wird. Ihm verdanke ich vor allem den Tipp, jeweils zwei unterschiedlich lang belichtete Aufnahmen anzufertigen.
Der einfachste Fall - eine einzige Aufnahme
Die Komponenten der in Frage kommenden Doppelsterne stehen in der Regel sehr eng beisammen. Man wird also Teleskope mit hohen Brennweiten und nach Möglichkeit Kameras mit kleinen Pixeln vorziehen. Das Bildfeld darf aber auch nicht zu sehr schrumpfen - sonst fehlen der Software später die Anhaltssterne zum Vermessen.
Ich schieße Aufnahmen mit möglichst kurzer Belichtungszeit: Sie sollen die schwächere Komponente gerade noch erfassen, ohne die hellere "ausufern" zu lassen. Ideal wären zwei klar definierte Punkte, wie sie allerdings nur bei ähnlich hellen Komponenten möglich sind. Ist auch ein halbes Dutzend Vergleichssterne am Foto auszumachen - sehr gut! Dann wird man die Aufnahme später leicht vermessen können.

Man ermittelt die absoluten äquatorialen Koordinaten beider Komponenten und berechnet daraus ihren gegenseitigen Abstand in Bogensekunden und den Positionswinkel. Für den Abstand reicht der Satz des Pythagoras aus (die Differenz in Rektaszension muss aber mit dem Cosinus der Deklination der helleren Komponente multipliziert werden). Zur Bestimmung des Positionswinkels braucht man ein wenig Trigonometrie. Man zählt ihn vom Norden her gegen den Uhrzeigersinn!
Mit zwei Fotos zum Ziel
Oft wird man es nicht schaffen, die Doppelstern-Komponenten möglichst klein zu halten und dennoch genügend Anhaltssterne aufs Bild zu bekommen. Dann braucht man zwei Fotos: ein möglichst kurz belichtetes für die Komponenten und ein länger belichtetes für die Vergleichssterne.
Am besten, man schießt gleich eine ganze Belichtungsreihe von 1/1000 bis 15 sec und sucht dann die beiden geeigneten Fotos heraus. Mit der Software APT geht das besonders bequem, da man einen entsprechenden "Plan" abspeichern und wiederholt aufrufen kann.
Wir wollen bestimmte Daten von der einen in die andere Aufnahme übertragen. Daher müssen die beiden Fotos sehr rasch hintereinander geschossen werden, ohne irgendetwas am Fernrohr oder der Kamerastellung zu verändern. Nur die Nachführung bleibt aktiv.
Das langbelichtete Foto (links ein Ausschnitt mit Zeta Cancri) wird nun astrometriert. Dabei geht es uns jetzt ausnahmsweise nicht um die äquatorialen Koordinaten der Sterne, sondern eigentlich um zwei Nebeninformationen, die die Software liefert:
Den Abbildungsmaßstab (wieviele Winkelsekunden repräsentiert jedes Pixel) und die Drehung des Bildfelds relativ zum äquatorialen Koordinatensystem.
PlateSolve2 liefert die Bildfelddrehung gleich in weiter verarbeitbarer Weise. Der All Sky Plate Solver (siehe obiges Bild) zählt anders. Da muss man 180 Grad addieren.

Das oben gezeigte Foto von Zeta Cancri wurde übrigens 10 Sekunden lang belichtet.
Nun nehmen wir uns das kurzbelichtete Foto (hier eines mit 1/30 sec Belichtungszeit) vor, das die beiden Doppelstern-Komponenten möglichst "punktähnlich" zeigt.
Wir öffnen es in einem passenden Fotobearbeitungsprogramm. Ich schaue mir die beiden Sternscheibchen mit einer Bildschirmvergrößerung von 300 oder 400-fach ("Zoom") an - siehe Foto oben. Dann bearbeitete ich das Foto mit den Reglern Schärfen, Helligkeit, Kontrast und Gamma, bis sich die beiden hellsten Pixel in jedem Scheibchen herauskristallisieren - wie auf dem Foto oben.
Variante 1: Zwei Fotos und der digitale Winkelmesser
Wir benötigen dazu ein Fotobearbeitungsprogramm, bei dem man Distanzen und Winkel messen kann. Beim kostenlosen GIMP ruft man dazu unter "Werkzeuge" das Maßband aus und zieht eine Linie von der hellen zur schwächeren Komponente. Ganz unten sieht man dann die Distanz in Pixeln und den Winkel.

Multipliziert man die Distanz in Pixeln mit dem Maßstab, den wir aus dem langbelichteten Foto gewonnen haben, erhalten wir die Distanz der beiden Komponenten in Bogensekunden.

Der Winkel wird (zumindest bei GIMP) sehr eigenwillig gemessen. Er ist dort immer nur auf den jeweiligen Quadranten bezogen. Da heißt es aufpassen, mitdenken und umrechnen. Wir wollen jedenfalls einen Wert, der von oben gegen den Uhrzeigersinn gezählt wird.

Nun bringen wir noch den Drehwinkel aus dem langbelichteten Foto in Rechnung, um den Winkel aus dem kurzbelichteten Bild ins äquatoriale System zu bekommen. Wird das Ergebnis negativ, addieren wir 360 Grad. Übersteigt es 360 Grad, ziehen wir die Zahl 360 ab.
Variante 2: Zwei Fotos und Pixelkoordinaten
Ich mag die Winkelmesserei am Bildschirm nicht und ziehe eine etwas andere Methode vor: Programme wie PlateSolve2, IRIS, GIMP und viele andere Fotobearbeitungsprogramme zeigen bei jedem Punkt, den wir mit dem Mauszeiger berühren, zwei Zahlenwerte an: Eine Pixelkoordinate in waagrechter x-Richtung und eine Pixelkoordinate in senkrechter y-Richtung.

Gemessen wird parallel zu den Bildkanten, allerdings misst IRIS z.B. von links unten weg, während PlateSolv2 und GIMP den Nullpunkt links oben setzen.

Für jede der beiden Doppelstern-Komponenten, den Hauptstern und den Begleiter, erhalten wir jedenfalls zwei Pixelkoordinaten.
Auch hier ermittet man mit dem Satz von Pythagoras den diagonalen Abstand in Pixeln (ohne Multiplikation mit dem Cosinus!). Multiplizieren wir den Pixel-Abstand am Foto mit dem Maßstab aus dem langbelichteten Foto, kennen wir die Distanz der beiden Sterne am Himmel - in Winkelsekunden.

Mithilfe der Trigonometrie errechnen wir nun den Winkel der beiden Komponenten am Foto, mit dem helleren Stern im Scheitel. Um den Positionswinkel am Himmel auszurechnen, müssen wir noch den vom länger belichteten Foto bekannten Drehwinkel in Rechnung stellen.
Excel hilft
Mit Hilfe eines passenden Excel-Sheets (man kann freilich auch eine andere Software mit Tabellenkalkulation nützen) lassen sich die oben angerissenen Rechenvorgänge automatisieren. Allerdings muss man bedenken, dass Excel bei Winkelfunktionen nicht im Gradmaß, sondern im Bogenmaß rechnet (360 Grad im Gradmaß entsprechen 2*Pi im Bogenmaß).
Man kann es übrigens gleich so programmieren, dass es automatisch den Mittelwert der Ausmessungen von mehreren, sofort hintereinander geschossenen Fotos bildet. Das spart Zeit und sollte die Genauigkeit erhöhen.
Ein Beispiel: Zeta Cancri (A-C)
Wie oben schon gezeigt, verwendete ich zur Vermessung des Doppelsterns Zeta Cancri (Komponenten A und C) zwei Fotos: mit 1/30 sec und 10 Sekunden Belichtungszeit. Die langbelichtete Aufnahme zeigte genug Vergleichssterne, damit der All Sky Plate Solver den Maßstab (0,563) und die Drehung des Bildfelds (-158°14'26") in Relation zum äquatorialen Koordinatensystem errechnen konnte. Die Kamera war somit um 21,8° im Uhrzeigersinn verdreht.
Mit meinem Fotoprogramm schärfte ich die Pixel der beiden Komponenten nach und erhielt die Wertepaare x=2079 und y=1020 für die helle sowie x=2072 und y=1013 für die schwächere Komponente. Die Differenzen der x-Werte (7) und der y-Werte (hier ebenfalls 7) wurden quadriert und dann addiert. Die Wurzel daraus ergibt den Pixelabstand 9,9. Mit dem obigen Maßstab multipliziert, erhalte ich eine Distanz der beiden Sterne von 5,6".

Aus dem Verhältnis der beiden Differenzen ergibt sich der Winkel am Foto: 45° (von oben und gegen den Uhrzeigersinn gemessen). Weil die Kamera aber um 21,8° im Uhrzeigersinn verdreht war, muss ich sie mathematisch um eben diesen Betrag gegen den Uhrzeigersinn rotieren lassen: 45° + 21,8° = 66,8°. Das ist der Positionswinkel (PW).

Das Resultat dieser Astrometrierung lautet daher:
Zeta Cancri (Komponenten A und C)
Abstand: 5,6" (5,9")
PW: 66,8° (65,2°)
Termin: 2017,3. Epoche: J2000
Die Werte in Klammer habe ich zum Vergleich berechnet:
mit meinem alten Basic-Programm und einem Auszug aus Bahnelementen des Aitken Double Star Catalogue.
Vergleichsdaten für Doppelsterne
Um die Daten der eigenen Astrometrie zu überprüfen und zu vergleichen, gibt es mehrere Möglichkeiten.


Vergleich mit aktuellen Angaben zu Positionswinkel und Distanz

  • Manche Desktop-Planetarien sowie (meist teure) Programme zur Planung von Beobachtungsnächten berechnen wohl die aktuellen Daten angeklickter Doppelsterne und zeigen diese an.

  • Die sehr empfehlenswerte Website Stelle Doppie von Gianluca Sordiglioni macht aktuelle Angaben zu zahlreichen Doppelsternen. Sie können eine Auswahl nach verschiedensten Kriterien treffen und sogar eigene Beobachtungen hochladen. Außerdem liefert Ihnen diese Site auch die orbitalen Elemente von Doppelsternen (hier grundsätzliches dazu von Bruce MacEvoy).

  • Falls Sie die orbitalen Elemente kennen, können Sie die aktuellen Angaben selbst berechnen bzw. berechnen lassen. Die Elemente ausgewählter Doppelsterne finden Sie auch auf einer Seite von Ian Ridpath. Zur Berechnung bietet er ein BASIC-Programm an (bei Win7 ist BASIC über den Emulator DOS-Box reaktivierbar). Roger Wesson offeriert hingegen ein online-Skript zur Berechnung. Ähnliches macht auch Albireo, wenngleich für hinterlegte Elemente aus einer internen Datenbank.
Vergleich mit älteren Angaben zu Positionswinkel und Distanz


  • Etliche Astronomiebücher und -zeitschriften informieren ebenfalls über Doppelsterne. Mehr als 2000 Doppelsterne stellt Sissy Haas in "Double Stars for small Telescopes" vor. Ähnlich viele enthält The Cambridge Double Star Atlas. Einer der Autoren, Bruce MacEvoy, stellt auf seiner Website mehrere Data Sets als Excel-Sheets bereit. Auf eine wesentlich kleinere Auswahl beschränkt sich Klaus M. Schittenhelm im Buch "Sterne beobachten in der Stadt".
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